SwissCity Marathon Luzern 2015 / Marathon macht (doch) Spass

Vor dem Rennen

Der SwissCity Marathon Luzern war schon in den letzten beiden Jahr in meinem Rennkalender. Jeweils ein schöner Saisonabschluss, obwohl ich jeweils leiden musste. Nach Irontrail und 24h Lauf, waren meine Muskeln extrem träge. Ich habe deshalb versucht, in den letzten Wochen noch ein paar kurze schnelle Trainings zu machen, um mich an das höhere Marathontempo zu gewöhnen. Ob das etwas gebracht hat, weiss ich aber nicht.

Mein „Game-Plan“ sieht wie folgt aus:
Zielzeit wieder unter 3:50h, wie im letzten Jahr. Ich will mit einer Pace von so 5:20/5:25 pro Kilometer starten, und dann mal sehen, wie sich der Puls verhält. Falls der nicht zu hoch geht, probiere ich das durchzuziehen. Falls es zu schnell ist, muss ich halt etwas bremsen. Der Halbmarathon sollte in gut 1:50h machbar sein. Auf der zweiten Hälfte dann halt einfach noch geben was möglich ist.

Erfreulicherweise darf ich mit Pius Wicki und seiner Frau Gertrud im Auto nach Luzern mitfahren. Das ist natürlich sehr komfortabel für mich. Da Pius die beiden letzten Jahre immer schneller war als ich, muss ich mich beim Rennen etwas beeilen, damit ich dann auch wieder mit dem Auto nach Hause fahren kann. Mein Ziel deshalb: Schneller unter der Dusche als Pius.

Da mir Pius am Freitag sogar die Startnummer abgeholt hat, können wir nach der Schiffahrt vom KKL zum Verkehrshaus, direkt in die Garderobe. Für mich immer noch ungewohnt, ohne Rucksack mit Ausrüstung und Verpflegung zu starten. Ich stecke mir noch zwei Lee Sport-Energiegels in die Hosen. Während dem Marathon wird nur an zwei Posten Gel abgegeben. Dann kurz einlaufen und schon geht es in die Startbox. Ich stelle mich in die Gruppe mit einer Zeit unter 3:50h. Das sollte ungefähr passen. Die Zeit bis zum Start überbrücke ich mit einem Gespräch mit Sebi Heller, welcher heute seinen ersten „flachen“ Marathon läuft. (Den Jungfrau-Marathon hat er schon erfolgreich gefinisht)

Strecke

Erste Runde

Die erste Runde wird in Luzern gemeinsam mit den Halbmarathon-Läufern absolviert. Diese sind in einer mehrfachen Überzahl und die Strecke ist ziemlich voll. Nach dem Start versuche ich einen guten Rhythmus zu finden. Das gelingt mir soweit gut und ich geniesse die Strecke durch die Stadt über Schwanenplatz, Seebrücke und KKL. Nach 3.5km dann die erste kleine Steigung. Ich fühle mich gut und die der Hügel macht mir keine Mühe. An der Verpflegungsstelle „Wartegg“ nehme ich mir den ersten Becher Wasser. Aus  dem Becher trinken während dem laufen ist nicht ganz einfach und ich verschütte jeweils einiges. Deshalb nehme ich mir  an jeder Verpflegungsstelle einen Becher, damit ich genügend Flüssigkeit bekomme.

Das Wetter ist ziemlich ideal. Keine direkte Sonne, aber genügend warm um kurzärmlig zu laufen. Puls und Pace sind immer noch in Ordnung, als es in den zweiten Hügel Richtung St. Niklausen geht. Ich fühle mich gut und die Kraft für einen zügigen Aufstieg ist vorhanden. Der Puls steigt natürlich an, das macht mir aber keine grossen Sorgen, das wird sich im Downhill wieder geben. Dann fällt mir eine Läuferin vor mir auf. Sehr gleichmässiger und runder Laufstil, zudem passt mir das Tempo. Nach 5.5km erspähe ich vor mir eine hübsche Dame, mit sehr gleichmässigem Laufstil. Ich habe meine persönliche Pacemakerin gefunden! Ich hänge mich hinten ran und konzentriere mich auf ihren Rhythmus. Das Tempo ist etwas schneller, als ich eigentlich laufen wollte, das ist mir momentan aber egal. Der Puls liegt nun meist so bei 165/167 Schlägen. Das ist nicht mehr ganz gemütlich, ich weiss aber, dass ich mich so nicht überfordere.

Bei km 9 stelle ich fest, dass meine Pacemakerin „nur“ den Halbmarathon läuft. Ich überlege mir, ob ich nicht ein etwas heisses Spiel spiele. Wenn ich weiterhin das Tempo mitgehe, könnte ich beim Halbmarathon „ausgeschossen“ sein und die zweiter Runde würde zur Qual. Falls es aufgeht, schaffe ich dafür locker eine neue Bestzeit. Was tun? – Dranbleiben natürlich. No risk, no fun. Ist ja nur ein Marathon und auch wenn ich die zweite Hälfte kriechen muss, ins Ziel komme ich trotzdem.

Bei km 11 laufen wir auf die Gruppe mit dem offiziellen Pacemaker für eine 3:50h Zeit auf. Ich setze mich neben den Pacemaker und frage ihn, ob er beide Hälften gleich schnell läuft. Nein, die erst Hälfte läuft er eine Minute schneller als die Zweite. Er fragt mich, was ich denn für ein Ziel hätte. Ich antworte, einfach vor ihm im Ziel sein. Dann sehe ich meine persönliche Pacemakerin davonziehen und entscheide mich, wieder mit ihr mitzugehen. Die Garmin zeigt nun meist eine Pace von 5:15/km oder noch etwas schneller. Puls immer noch leicht unter 170. Atmung funktioniert gut. Alle Systeme Status „grün“.

Reussbrücke Luzern

 

Nach dem landschaftlich schönen Teil entlang des Seeufers, kommen wir nun in Horw wieder ins überbaute Gelände. Dann über die Allmend zurück in die Stadt. Dies ist nicht mein Lieblingsteil der Strecke. Ich konzentriere mich auf meine Pacemakerin und auf regelmässiges trinken an den Verpflegungen. Ich hoffe, ich kann die Pace auch auf der zweiten Runde halten. Momentan immer noch alles in Ordnung. Beim Alpenquai kommen uns dann die Marathonläufer, welche bereits die zweite Runde in Angriff genommen haben, entgegen. Immer etwas frustrierend, wenn man den eigenen Rückstand realisiert. Die Situation kenne ich aber bereits von den Vorjahren und lasse mich nicht aus der Ruhe bringen. Dann die Passage durchs KKL mit Lichtshow, Trockeneisnebel und Cheerleader-Girls. Immer wieder speziell. Dann runter in die Altstadt, über die Reussbrücke, wieder hoch zum Schwanenplatz und weiter zur Wendemarke vor dem Verkehrshaus.

Ich will eigentlich meiner Pacemakerin noch danken. Dann verliere ich aber im Endspurt-Getümmel der Halbmarathonis ein paar Meter auf sie und muss sie ohne Dank ziehen lassen. Ich konzentriere mich nun auf die Marathonläufer, welche bereits entgegenkommen und hoffe Pius zu sehen. Er liegt wahrscheinlich weiter vor mir, dafür sehe ich Sebi Heller und wünsche ihm alles Gute. Dann endlich bin auch ich an der Wendemarke. Umdrehen, ein paar hundert Meter zurück und dann passiere ich die Halbmarathon-Distanz in einer Zeit von 1:50:23. Tiptop. Aber erst ab jetzt zählt es richtig!

Puls

Zweite Runde

Es kommt nun so etwas wie Runner’s High auf. Ich fühle mich gut und habe Lust, Gas zu geben. Die Pace liegt nun so bei 5:05/km. Der Puls geht nun über 170. Ich wünsche mir nochmals jemanden, dem ich anhängen kann. Es findet sich aber lange niemand. Wieder Schwanenplatz, KKL, Alpenquai. Bei der Ufschötti laufe ich auf eine Läuferin auf, welche von hinten wie Daniela Ryf aussieht. Ich hänge an und stelle mir vor ich laufe in Hawaii hinter Daniela Ryf einem Ironman-Finish entgegen. Funktioniert gut. Allerdings nur bis zur Steigung nach dem Eissstadion, wo meine Daniela Ryf verlangsamt und ich vorbeiziehe. Meine beiden Gels in der Hose mussten bereits in der ersten Runde dran glauben. So freue ich mich auf die erste offzielle Gelabgabe ungefähr bei Kilometer 25. Der Isostar-Gel passt mir vom Geschmack her zwar nicht so gut wie der Lee-Sports. Energie liefert er aber auch.

Altstadt

Dann kommt die zweite Steigung vor St. Niklausen. Mein Puls geht erstmals in die 180er und es wird anstrengend. Dafür werden die Kilometer langsam weniger und ich beginne Schlusszeiten auszurechnen. Für ein verlässliches Ergebnis ist es aber noch zu früh. Von der Landschaft bekomme ich nicht mehr viel mit, der Blick ist meistens auf die Strasse ein paar Meter vor mir fixiert. Die Anwohner hier in den Quartieren nehmen rege am Geschehen teil. Da werden private Verpflegungsposten aufgebaut oder ganze Quartierfeste gefeiert. Zur guten Stimmung tragen auch die zahlreichen Guggenmusiken und anderen Musik-Formationen bei, welche entlang der gesamten Strecke verteilt sind. SVP-Ständeratskandidatin Yvette Estermann macht noch etwas Wahlkampf am Streckenrand. Betrifft mich als Aargauer allerdings nicht.

Mein Wunsch nach einem Pacemaker geht nicht in Erfüllung. Ich überhole dauernd andere Läufer und werde selber nur selten überholt. Einige Läufer müssen mit Krämpfen anhalten. Meine Muskeln sind zum Glück in Ordnung und ich bin gespannt, ob ich die Pace bis zum Schluss durchziehen kann. Zuerst steht nun aber noch der letzte Stutz vor Kastanienbaum an. Ich beisse ordentlich und der Puls kratzt an der 190er-Marke. Oben laufe ich auf Sebi Heller auf, welcher anscheinend etwas zu schnell gestartet ist und nun das Tempo nicht mehr halten kann. Im Downhill lasse ich es nochmals laufen. Dann wird es wieder flach und es sind noch 12km bis ins Ziel.

In Horw gibt es dann ein Duell mit den Kids Jahrgang 2009, welche auf der anderen Strassenseite das Marotholino-Rennen laufen. Ich verliere. Die Kids sind schneller. Allerdings müssen diese ja auch nur wenige hundert Meter laufen. Dann nochmals ein Gel, bevor es Richtung Allmend geht. Der Puls ist jetzt konstant in den 180er. Pace immer noch schneller als 5:30/km. Ich bin auf dem Weg zur persönlichen Marathonbestzeit und eine Zeit von unter 3:45h liegt drin. Ich bin 3 Stunden unterwegs. Nur noch 8km bis ins Ziel. Ich denke zurück an den 24h Lauf. Nur noch weniger als eine Stunde unterwegs und dann ist die Saison 2015 wohl Geschichte. Jetzt einfach dran bleiben!

Einen guten Pacemaker finde ich bis ins Ziel nicht mehr. Dafür bin ich immer noch meist am überholen. Ich entschliesse mich, die letzten 35 Minuten nichts mehr zu trinken. Das sollte eigentlich kein Problem darstellen. Anhalten mag ich nicht mehr zum trinken und während dem Laufen funktioniert es nicht richtig, bzw. ich schütte mir das Wasser zumindest teilweise in die Nase.

Also zurück in die Stadt. Durch den SUVA-Tunnel, dann runter zum KKL, durchs KKL durch, runter in die Altstadt. Ich kämpfe, weiss aber, dass dies halt einfach dazugehört. Bei den Ultra-Trails ist das einfacher. Zwei Kilometer vor dem Ziel ist man meist alleine, es hat viel weniger Zuschauer und die Zeit spielt auf ein paar Minuten auch keine Rolle. Hier ist noch voll Wettkampfstimmung. Es hat sehr viele Zuschauer und es kommt noch drauf an, ob man noch 30 Sekunden verliert oder nicht. Also durchbeissen!

Meine Zeit zeichnet sich nun immer deutlicher ab. Unter 3:40h ist nicht möglich, unter 3:45h muss es aber reichen. Neue Bestzeit in Sicht! – Für einen standesgemässen Endspurt reicht die Energie dann aber nicht mehr. Auf den letzten zwei Kilometern konzentriere ich mich einfach auf den Armschwung. Dann folgen die Beine automatisch. Puls inzwischen über 190. Pace leicht langsamer als 5:30/km. Alles im normalen Bereich. Meine letzte Challenge ist dann, dass mich auf dem roten Teppich vor dem Ziel, niemand mehr überholt. Dies schaffe ich dann auch und nach 3:42:15 ist mein Rennen zu Ende. Zweite Hälfte also in 1:51:52. Kein Negativ-Split, aber sehr gleichmässig gelaufen.

Zieleinlauf

Nach dem Rennen

Ich bekomme meine Finisher-Medaille und trinke einen Becher Wasser. Dann schon traditionell in Luzern sofort zur Toilette. Für einen Ultra-Läufer sind die häufigen Verpflegungsposten einfach zu viel und ich komme immer mit voller Blase an. Dann weiter zur Garderobe und unter die Dusche. Siehe da: Pius Wicki war zwar vor mir im Ziel, aber unter der Dusche bin ich eher! Das gibt es auch zum ersten Mal!

„Schäden“ habe ich wenig davongetragen. Keine Blasen. Nur die Knöchel etwas aufgeschlagen von meinem unsauberen Laufstil. Die Einlagen von Härdi Orthotech, welche ich zum ersten Mal in einem Wettkampf getragen habe, haben sich bewährt. Das schöne ist, dass meine Fusssohlen nicht schmerzen. Die Muskeln spüre ich dafür stärker, als zum Beispiel nach dem 100km von Biel. Die Intensität ist einfach viel höher hier.

Tja, wie weiter nun. Meine Renneinteilung ist sehr gut aufgegangen und das Rennen hat entsprechend Spass gemacht. Im Prinzip könnte ich mich nun über den Winter fit machen für einen schnellen Marathon im Frühling und dort versuchen unter 3:30h zu laufen. Zuerste warte ich nun mal die UTMB-Auslosung ab. Wenn klar ist, ob ich einen Startplatz erhalte, kann ich die Saison 2016 planen. Für den Eiger Ultra E101 habe ich mich schon mal angemeldet. Der muss auf jeden Fall wieder sein.

4 Kommentare zu SwissCity Marathon Luzern 2015 / Marathon macht (doch) Spass

  1. Wicki Pius 31. Oktober 2015 um 11:55 #

    Sali Martin

    Es ist immer wieder amüsant und spannend, deine Rennberichte zu lesen. Ich staune, was du beim Rennen alles siehst, ich habe jeweils gegen Schluss genug zu tun, mich auf die Strecke zu konzentrieren.

    Herzlichen Dank und gute Winterpause (sofern möglich)

    Gruss, Pius

    • Martin Hochuli 1. November 2015 um 10:53 #

      Ich bin Genussläufer Pius, keine Rennrakete wie Du! – Da sieht man was von der Landschaft, dafür steht man nicht in der Topten der Alterskategorie.

      Gruess, Martin

  2. Thomas 1. November 2015 um 1:33 #

    Danke Martin für den interessanten Berich, konnte die Strecke gerade nochmal miterleben. Habe keine Ahnung wo mein Puls war. Vielleicht schaff ich mir auch mal so ne schlaue Uhr an. Meine Herausforderung war eher die Kraft um die Beine in Bewegung zu halten. Naja, meinerster Marathon und ich hab’s in meiner Zielzeit geschafft. Jetzt überleg ich mir auch mal wie ich schneller werden kann.
    Nochmals herzliche Gratulation zu Deiner neuen Bestzeit.
    Thomas

    • Martin Hochuli 1. November 2015 um 11:01 #

      Hallo Thomas
      Dir auch nochmals herzliche Gratulation zum ersten Marathon! – Das ist eine spezielle Leistung!

      Wenn ich Deine Zwischenzeiten anschaue, dann hast Du das Rennen ziemlich gut eingeteilt. Beim nächsten Mal die erste Hälfte noch etwas langsamer, dann hast Du noch Reserven für die zweite Hälfte. – Da hilft mir die Pulsuhr, damit ich mich am Anfang etwas zurückhalte.

      Herzliche Grüsse
      Martin